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"Corona-Krise"  vs.  Schuldenbremse in Hessen

 

Die sogenannte Schuldenbremse wurde am 10.5.2011 auch in Hessen per Volksabstimmung zugestimmt. Viele wussten aber gar nicht, daß diese erst ca. 10 Jahre später gültig wurde... nämlich erstmals im Haushaltsjahr  2020 !

Interessant ist die Tatsache, daß mit dem Gesetz zur Schuldenbremse mit Gültigkeit 2020  auch erstmals die Ausnahme eines "Notstandes" aufgenommen wurde... den wir jetzt pünktlich haben, den ultimativen (Corona)Notfall, zumindest wenn man Medien und Regierung ernst nimmt.
Aber auch vorher hatte der Wortlaut in der Hessischen Landesverfassung (HV Art.141 ) schon eine "Ausnahme" enthalten, und das war die Möglichkeit, durch ein anderes Gesetz diesen zu "umschiffen". 


Lesen Sie und überprüfen Sie es:   


HV Artikel 141 ( Fassung ab 10.5.2011 - Anwendbar erstmals für Haushaltsjahr 2020 !) Wortlaut:

"(1) Der Haushalt ist ungeachtet der Einnahmen- und Ausgabenverantwortung

des Landtags und der Landesregierung grundsätzlich

ohne Kredite auszugleichen.

(2) Art. 137 Abs. 5 bleibt unberührt.

(3) Bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen

Entwicklung kann von Abs. 1 abgewichen werden. In diesem Fall

sind die Auswirkungen auf den Haushalt im Auf- und Abschwung

symmetrisch zu berücksichtigen.

(4) Bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen,

die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die

staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, kann von Abs. 1

abgewichen werden. Die Abweichung ist mit einer Tilgungsregelung

zu verbinden. Die Kredite sind binnen eines angemessenen

Zeitraums zurückzuführen.

(5) Das Nähere bestimmt das Gesetz."


Was aus dem Stimmzettel vom 27.3.2011 nicht zu lesen war, war der im HV Art. 161 festgelegte Geltungsbeginn, nämlich erst 10 Jahre später, ab 2020 !. Aber zu lesen war ab 2011 schon der Wortlaut der gültigen Fassung von 2020, was nicht gerade gewollte Transparenz vermuten lässt.  

Durch die aktuelle "Corona-Krise" trifft jetzt auf die das für Jahr 2020 in Hessen festgelegte Schuldenverbot.  Das gilt übrigens auch für 6 weitere Bundesländer, die ähnliches ab 2020 beschlossen hatten: Bayern, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein. ( https://de.wikipedia.org/wiki/Schuldenbremse_(Deutschland) )


Was geschieht aktuell: Die Landesregierung durch die Fraktion CDU/Grüne versucht derzeit durch eine Gesetzesänderung des Art.141 (Schuldenbremse) die notwendige 3/4 Mehrheiten zu umgehen, die im Art. 141 festgeschrieben wurden, auch für den Fall einer Pandemie! Das hierfür eine 3/4 Mehrheit derzeit nicht existiert versucht die Regierung eben mit Ihrer einfachen Mehrheit (CDU/Grüne) den text im Art. 141 einfach "anzupassen". Danach soll eben keine 3/4 Mehrheit zur neuen Schuldenaufnahme mehr nötig sein! Das ist eigendlich eine Sabotage des Rechtssystems und der Demokratie. Lesen Sie hier den "dringlichen Gesetzentwurf" Drucksache 20/3050 des Hess. Landtages. 


Wie schon erwähnt, der Geltungsbeginn der Schuldenbremse in Hessen war festgelegt in:  HV Artikel 161 (Übergangsbestimmungen),Wortlaut:

"Art. 141 in der ab dem 10. Mai 2011 geltenden Fassung ist erstmals für das Haushaltsjahr 2020 anzuwenden. Bis dahin ist Artikel 141 in der bis zum 9. Mai 2011 geltenden Fassung anzuwenden. Der Abbau des bestehenden Defizits beginnt im Haushaltsjahr 2011. Die Haushalte sind so aufzustellen, dass im Haushaltsjahr 2020 die Vorgabe des Artikel 141 Abs. 1 in der ab dem 10. Mai 2011 geltenden Fassung erfüllt wird."


Und hier der "alte" Artikel 141, bis 9.5.2011 so veröffentlicht - aber bis heute gültig! https://www.umwelt-online.de/recht/allgemei/laender/he/z11_0182.htm )

-"Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken beschafft werden. Eine solche Beschaffung sowie die Übernahme einer Sicherheitsleistung zu Lasten des Staates dürfen nur durch förmliches Gesetz erfolgen.

Ist das nicht toll? Da macht man ein Gesetz um Schulden weitestgehend einzudämmen, aber gleichzeitig gibt es immer eine "Hintertür". 

Übersetzt: Schulden und Bürgschaften nein, aber durch passendes Gesetz dann doch... oder andersrum:  Das Gesetz erlaubt keine Schulden und Bürgschaften, außer durch ein Gesetz.

In der "alten" Version gab es noch nicht die Ausnahme von "außergewöhnlichen Notsituationen". Diese "Erweiterung" bzw. Ausnahme wurden sozusagen im Huckepack eingearbeitet ... und sieh da: 2020 haben wir Sie, die "Notsituation... als hätte jemand zu tief in die Glaskugel geschaut... 


Aber bleiben wir bei der "alten" Version des Art. 141 der bis 2019 gültig war, und wenden uns dem Ausnahmepassus "... durch förmliches Gesetz ...." (s.o.) zu. Kennen Sie das sog. Wohnrauminvestitionsprogramm (WIPG) ?

 

Wohnrauminvestitionsprogramm (WIPG) u.a. zur Unterbringung von Flüchtlingen

Nun, wie im WIPG 2019 mit Gültigkeit bis 2060 (!) beschlossen, werden hier Wohnräume u.a. für "Flüchtlinge " finanziert, also mit Schulden über die sog. WIBank ( siehe Original) . Da stellt sich einem schon die Frage, wie das mit der Schuldenbremse dann vereinbar sei, aber halt - es galt ja noch der alte Art. 141 bis 9.5.2011

 

Hier das Original: Wohnrauminvestitionsprogrammgesetz - WIPG  des Landes Hessen vom 23.6.2018  

Ein Auszug: 

Gesetz zur Stärkung von Investitionen zur Schaffung von bezahlbaren Wohnraum durch ein Wohnrauminvestitionsprogramm:

"§ 1 Förderziel  -  Fördervolumen und Fördervoraussetzungen :

(1) Das Land fördert im Rahmen dieses Gesetzes ab dem 1. Januar 2019 Investitionen zur Schaffung und Modernisierung von dauerhaftem bezahlbarem Wohnraum und von Unterkünften zur Unterbringung von Flüchtlingen in den Gemeinden und Landkreisen (Kommunen). 

(2) Das Wohnrauminvestitionsprogramm umfasst ein Darlehensvolumen von bis zu 257 000 000 Euro. (...) "


Was schätzen Sie, wie viele Bürger kennen die Gesetze ? Wie wurden wir als Souverän gefragt?  Schuldenbremse  Ja oder Nein.

Differenzierte Aufklärung? Wozu, ist doch klar definiert! Wer sollte wohl für Schulden sein ! Schön, daß man uns gefragt hat ! 

Leider Fehlanzeige: Da es sich hier um eine Verfassungsänderung handelte, mußte das Hessische Staatsvolk gefragt werden, weil das in der Verfassung steht:

HV Artikel 123

(1) Bestimmungen der Verfassung können im Wege der Gesetzgebung geändert werden, jedoch nur in der Form, daß eine

Änderung des Verfassungstextes oder ein Zusatzartikel zur Verfassung beschlossen wird.

(2) Eine Verfassungsänderung kommt dadurch zustande, daß der Landtag sie mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl

seiner Mitglieder beschließt und das Volk mit der Mehrheit der Abstimmenden zustimmt.


Und genauso war das auch mit der letzten Hessen-Landtagswahl in 2018. Da wurden wir auch netterweise gefragt... gleich 15 mal! 

Aber auch hier war die Volksbefragung das durch HV Art. 123 vorgeschrieben. Wie diese 15 Fragen von der Regierung verkauft wurde und welche Ziele wirklich dahinter steckten... ab dieser Zeit würde ich keinen (demokratischen) Publikumsjoker mehr annehmen, auch nicht bei einem 90%igen Votum. Eine interessante Auslegung dieser 15 Fragen liefert "Kai" aus Hannover : "Volksabstimmung in Hessen"


Mittlerweile ( Okt. 2020 ) hat man ein anderes Instrument gefunden, die Schulden landen nun eben beim Bund. Das Grundgesetz wurde dahingehend durch GG Art. 146h erweitert, das ging durch einfache Mehrheit. 

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 104a und 143h)  und https://dejure.org/gesetze/GG/143h.html



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